Geschichten von der Pflegestelle

Murphy – Traumkaterschwein auf 4 Pfoten

Von Eva Volk/ SAMT e.V. Manche Katzen können einen in die Verzweiflung treiben. Murphy gehört ohne Wenn und Aber in diese Kategorie. Man will ihn abwechselnd kuscheln und erwürgen. Aber von vorne:

Als im Oktober ein unkastrierter, offensichtlich heimatloser Kater gemeldet wurde, wurde ruckzuck eine Falle aufgestellt. Sie stand noch nicht ganz, da saß der Kater schon drin. Unter 2 Minuten – Respekt! Fand er aber doof und randalierte erstmal ein bisschen. Da zu diesem Zeitpunkt kein Tierarzt zur Verfügung stand, wurde der Kater erstmal auf die Pflegestelle – die ein bisschen überrascht war – verfrachtet.

Kater Murphy
Kater Murphy (Foto: Eva Volk)

Der arme Kerl versteckte sich in seinem neuen Katzenzimmer sofort in einer ziemlich kleinen Kuschelhöhle und war bedient. Kein Wunder. Dort blieb er dann auch mehr oder weniger eine ganze Woche lang. Da konnte er noch so lange gestreichelt und mit total leckerem Futter verwöhnt werden, er wartete quasi auf den Tod. Menschen waren für ihn einfach nur der blanke Horror. Es ist anzunehmen, dass er viel zu früh von Mutter und Geschwistern getrennt wurde und dann auch noch schlechte Erfahrungen mit Menschen gemacht hat. Bei der Kastration wurde der Kater übrigens auf höchstens ein Jahr geschätzt. Er hat also noch sein ganzes Leben vor sich.

Irgendwann beschloss der mittlerweile Murphy getaufte Kater, dass seine Pflegeeltern ihn eventuell doch nicht auf links ziehen wollen und begann vorsichtig das Haus zu erkunden. Das fanden alle super, bis er auf die erste andere Katze traf. Ohne lange Diskussion stürzte er sich auf den armen älteren Hauskater, der gar nicht wusste wie ihm geschah. Naja, dachten die Pflegeeltern, ist gerade alles ein bisschen viel für unser Fundkaterchen, das wird schon. Vorsichtshalber musste Murphy dann erstmal wieder in sein Zimmer.

Am nächsten Tage durfte er wieder das Haus erkunden. Uiuiuiuiui, immer noch gruselig. Doch, Moment, DA!!! Eine Katze! Auf sie mit Gebrüll!!! Hauskatze Nummer zwei, diesmal ein Mädel, auch schon deutlich älter plus leichte Ataxie, geschreddert… An diesem Punkt begannen die Pflegeeltern Murphy etwas misstrauisch zu beobachten und ließen ihn auch nicht mehr mit den anderen Katzen zusammenkommen. Alle vier Hauskatzen wurden, wenn Murphy durch’s Haus streifte, vorsichtshalber in Sicherheit gebracht.

Gegenüber seinen Gastgebern taute Murphy im Lauf der Wochen und Monate mehr und mehr auf. Er blieb zwar schreckhaft, aber irgendwann begann er zu spielen. Eines Tages kam er sogar auf den Schoß und gab Köpfchen. Der Pflegepapa schmolz förmlich dahin. Egal wohin man ging, Murphy folgte und war höchst interessiert, was vor sich ging. Aber wehe, der Nachbar war nebenan im Garten! Da wurde sich hinter der Pflegemama versteckt und gebrummt, was das Zeug hielt. Selbes Verhalten bei Menschen vor dem Haus auf dem Bürgersteig…

Und dann erschien die erste Katze draußen auf der Terrasse. Oh, Mann! Da wird zur Tür gerannt, gebrüllt, und dann schnell rund um’s Sofa und von der Seite anlauern. Die fremde Katze blieb hartnäckig sitzen. Ok, Zeit für die Todesrolle. Heißt, wieder zur Tür rennen, auf die Seite werfen und über den Rücken hin und her rollen. Wie ein Krokodil halt. Dann wieder gegen die Scheibe hauen, wegrennen und seitlich anlauern. Das regt ihn immer dermaßen auf, dass er auch mal beißen kann, wenn man ihn in einem solchen Moment anfasst.

Hmmm, dachten die Pflegeeltern, will er nur spielen und ist einfach parallel total ängstlich was andere Katzen betrifft? Vielleicht nehmen wir mal ein Geschirr, und damit kann er dann die heimischen Katzen kennenlernen. Gesagt, getan. Also erstmal verwandelt sich Murphy nach Anlegen eines Geschirrs in die wohlbekannte „Katze ohne Beine“, naja. Halbwegs optimistisch also mit dem Kater zu den anderen Katzen, die friedlich auf dem Bett liegen. Murphy guckt und hat immer noch keine Beine. Die anderen gucken zurück. So Auge in Auge findet Murphy doof. Dann steht eine Katze auf und läuft weg. Trotz abhanden gekommener Beine macht Murphy einen Riesensatz und hängt mehr oder weniger am Ende der Leine waagerecht in der Luft. „Ich will sie fressen!!!“. Am gegenüberlegenden Ende der Leine hängt übrigens die völlig verblüffte Pflegemama.

Ok, Murphy findet andere Katzen echt blöd. Wer weiß, welche schlechten Erfahrungen er gemacht hat, oder wie früh er von seiner Mama weg war. Dann kommt sowas dabei raus. Geduld ist ja alles, sagten sich die Pflegeeltern und probierten den geschilderten Versuchsaufbau diverse Male aus. Ergebnis: immer dasselbe: „KATZE!!!! TÖTEN!!!“ Puh… Da gibt man irgendwann auf und denkt sich, gut, Einzelkatze.

Spätestens final verfestigt wurde dieser Eindruck, als mal eine Tür nicht richtig geschlossen war und der kleine Kampfkater sich auf die schlafende (!) und stocktaube 18jährige Hauskatze stürzte. Nur mit Mühe war er von ihr wegzubekommen. Die arme Maus wusste überhaupt nicht, wie ihr geschah, hat sich aber immerhin tapfer gewehrt. Zu allem Elend brach ihr dabei auch noch ein Reißzahn ab… seufz.

Seither werden die Türen immer abgeschlossen, wenn der Kater frei läuft, damit keiner gefressen wird. Türmanagement ist einfach alles! Gott sei Dank sind die vorhandenen Hauskatzen sehr duldsam und kommen gut damit klar, dass sie häufiger mal ein Schläfchen hinter verschlossener Türe machen müssen.

Murphy und andere Katzen: Geht gar nicht. Murphy und Menschen zu denen er Vertrauen hat: Ein Traum! Für seine neuen Besitzer muss klar sein: Das ist ein Langzeitprojekt! Ist keine Katze zu sehen, ist Murphy wie ausgewechselt. Er liebt nichts so sehr, wie kleine Papierkugeln zu bespielen. Die werden stolz im Schnäuzchen durch die Gegend getragen und belauert, wenn sie sich hinterhältig hinter einem Stuhlbein verstecken. Zur Strafe schmeißt er so ein Kügelchen in einen Pantoffel und bekämpft es dann, weil es nicht wieder rauskommt. Mittlerweile bringt er ein Kügelchen auch von selbst, wenn er Lust zum Spielen hat und apportiert es, wenn man es durch die Gegend wirft.

Wenn er müde wird kann er mittlerweile auch richtig entspannen und auf der Couchlehne wegpennen. Und wenn es Zeit wird, in sein Zimmer zu gehen, kommt er ganz brav mit. Wahrscheinlich nicht zuletzt, weil es da leckeres Futter gibt. Nur wenn er meint, schon zu lange in seinem Zimmer gewesen zu sein, brüllt er alles zusammen und will Aufmerksamkeit und Liebe.

Eigentlich macht er dauernd niedliche Sachen, auch wenn er nach wie vor bei neuen Situationen etwas schreckhaft ist. Mittlerweile sind die Pflegeeltern der Ansicht, dass es für Murphy besser wäre, nur in gesicherten Freigang zu kommen, da alles Neue so gefährlich ist. Die Gefahr ist bei ihm zu groß, dass er sich zu Tode erschreckt und panisch wegläuft, oder dass er blind hinter einer Katze herjagt bis zum Horizont und sich verläuft oder unter dem nächsten Auto landet.

Im Moment hat er einen kleinen vergitterten Auslauf, den er super findet, weil man da so schön die Vögel beobachten kann. Anstalten auszubrechen macht er keine. Und immer wieder kommt er rein, holt sich eine kleine Streicheleinheit und versichert sich, dass man ihn noch liebhat. Da schmilzt man direkt wieder dahin. Kleiner Herzensbrecher.

Fazit der Pflegeeltern: Eigentlich ist Murphy ein Traumkater, aber manchmal eben auch ein Traumschwein.

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