Aktuelles aus der Tierschutzarbeit

Pitti
Foto: E. Volk

Angst essen Seele auf

Von Eva Volk/SAMT e.V. Manchmal ist ein Haustier der einzig noch verbliebene Fixpunkt für ältere Menschen, das einzige noch übrig gebliebene Wesen, um das sich alles dreht. Der Gedanke, dieses geliebte Tier zu verlieren, ist dann unerträglich. Wobei dies manchmal bis zur Verleugnung unübersehbarer Probleme führen kann.

So hatten wir vor kurzem den Fall, dass sich eine ältere Dame spät abends sehr nervös meldete und sagte, bei ihrer nicht mehr ganz jungen Katze liefe das Auge aus. Natürlich standen uns da förmlich die Haare zu Berge. Direkt am nächsten Morgen ging es zum Tierarzt. Zwar bestätigte sich die Befürchtung nicht, dass das Auge auslief, allerdings wurde unglücklicherweise ein großer Tumor hinter dem Auge festgestellt. Aufgrund Lage und Größe war eine bösartige Form sicher. Eigentlich unmöglich, dass der schlimme Zustand des Auges jetzt erst aufgefallen war. Vermutlich wurde bis zu diesem Zeitpunkt irgendwie verdrängt, dass da etwas schwer im Argen lag, sozusagen Vogel-Strauß-Taktik.

Foto: I. Launer-Hill

Die einzige Lösung, wenn auch ohne Garantie auf Erfolg, war eine rasche Operation, bei der Auge und Tumor entfernt werden mussten. Ein baldiger Termin wurde gemacht und die Besitzerin, fix und fertig, erstmal samt Medikamenten und Katze wieder nach Haus entlassen. Soweit, so gut.

Zwei Tage später ergab sich aufgrund einer anderen ausgefallenen Operation die unverhoffte Gelegenheit, die geplante Augen-OP holterdipolter vorzuziehen. Und ab da wurde es schwierig. Der plötzliche Anruf: „Die Katze kann operiert werden, und zwar in einer Stunde“ überforderte die Besitzerin maßlos. Von jetzt auf gleich kamen alle Ängste schlagartig wieder hoch. Würde sich bei der Operation herausstellen, dass alles keinen Zweck hat? Würde das Tier die Operation von der Verfassung her überhaupt überleben? Würde es sich danach quälen müssen?

Bis zu diesem Zeitpunkt, nehmen wir an, konnte der Gedanke an die OP und mögliche Folgen noch beiseitegeschoben werden. Aber dann stand alles mitten im Raum und die Angst wurde übermächtig. Daher verweigerte die Dame den Termin und sagte zu allem Überfluss auch noch den ursprünglich vereinbarten Termin ab.

Im ersten Moment ist man da natürlich fassungslos und vielleicht auch ein bisschen angefressen. Da ergibt sich eine goldene Gelegenheit und sie wird nicht wahrgenommen.

Aber, erstmal sacken lassen, tief durchatmen und an das Tier, aber auch an den Menschen denken. Druck hätte an dieser Stelle ganz offensichtlich zu überhaupt nichts geführt. Zutiefst verängstigte Menschen kann man nicht mit Vorwürfen zum Umdenken bewegen. Natürlich hatten wir stapelweise rationale und völlig richtige Argumente, warum eine OP unumgänglich ist. Aber erstmal sind diese in einer solchen Situation nebensächlich.

Das Einzige, was wirklich hilft ist: Zuhören! Man muss sich erklären lassen – und wenn es noch so lange dauert – wieso jemand Angst hat, was das Tier diesem Menschen bedeutet, wie man helfen kann, die Sorgen zu verkleinern und und und. So sehr die Sorge um das Tier für uns natürlich im Mittelpunkt steht, es geht niemals ohne den Menschen. Nur wenn der Besitzer mitspielt, kann dem Tier geholfen werden. Mit Einfühlungsvermögen und Verständnis kann man irgendwann auch ganz sanft die eigenen Argumente anbringen, und dann fallen sie womöglich auf fruchtbaren Boden.

Im vorliegenden Fall war das tatsächlich so und ein neuer OP-Termin konnte zeitnah vereinbart werden. Bis dahin wurde die kranke Mieze liebevoll und gewissenhaft von ihrer Besitzerin umhegt und mit Medikamenten versorgt. Mit Sicherheit ist die Besitzerin tausend Tode gestorben, als ihre Samtpfote operiert wurde. Zum Glück verlief die OP sehr gut und die Katze erholte sich relativ schnell. Das fehlende Auge macht ihr gar nichts aus und sie ist regelrecht aufgeblüht und hat sozusagen ihren zweiten Frühling (vielleicht ist es auch schon der dritte). Wir glauben ja, sie ist ein bißchen stolz, jetzt eine kleine Piratin zu sein.

Die Besitzerin ist zutiefst erleichtert (und wir erst!), dass, trotzt aller Bedenken, alles so gut ausgegangen ist. Ihre geliebte Katze wird auch weiterhin ihr Leben bereichern. Wir wünschen den beiden noch eine ganz lange, gemeinsame, wundervolle Zeit! Genießt zusammen den Ruhestand!

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